Geist- und Wunderheilung

HANDBUCH ORIENTIERUNG: Religionen, Kirchen, Sekten, Weltanschauungen, Esoterik.Unzählige Menschen nehmen ihre Zuflucht regelmäßig zu Wunder- und Geistheilern:

Alle Geistheiler berufen sich auf höhere, übernatürliche Heilkräfte, die durch ihre Hände den Hilfesuchenden mitgeteilt würden. Diese Fähigkeit sei ihnen über Visionen, Auditionen oder im Gefolge einer schweren Erkrankung zuteil geworden. Heil-Energie könne auch in Abwesenheit über ein Foto, einen persönlichen Gegenstand oder Haare, Blut oder Speichel des Kranken übertragen werden. Interessierte lassen sich in Lehrgängen, Wochenend- Seminaren oder autodidaktisch mit Hilfe von Kassetten und Videos zu Geistheilern ausbilden. Besonders spektakulär sind die "Geistchirurgen". Sie führen angeblich mit ihren bloßen Händen Operationen durch, indem sie in den Körper des Patienten eindringen, krankes Gewebe entfernen und keine Narben hinterlassen. Geist-Operationen konnten als Betrug entlarvt werden.

Etliche Geistheiler wurden inzwischen rechtskräftig verurteilt, weil sie ohne amtsärztliche Erlaubnis den Heilberuf ausüben, mit falschen Versprechungen nicht erfüllbare Hoffnungen geweckt hatten oder ihnen Betrug nachgewiesen werden konnte. Ungestraft können Heiler behaupten, schwere Leiden wie Krebs, Gehirntumore oder Aids geheilt zu haben.

Esoterik-Publizist Robert Sebastian z.B. verspricht in seinem Buch "Die neuen Heiler":

"Hoffnung für Millionen, wenn kein Arzt mehr helfen kann ... Längst sind die teils unglaublichen Fähigkeiten der Geistheiler in wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt worden: Sie erwecken Menschen aus dem Koma, ... sie lassen auf unerklärliche Weise bösartige Gehirntumore verschwinden, ja selbst scheinbar hoffnungslos Gelähmte befreien sie von ihrem Rollstuhl... Sicher ist, dass hier eine schier grenzenlose Kraft am Werk ist, die grundsätzlich jede Krankheit heilen kann" (Klappentext).

Was von diesen "wissenschaftlichen Untersuchungen" zu halten ist, belegt z.B. ein Test, der vom schweizerischen Fernsehen in vier Sendungen dokumentiert wurde: Der Test wurde in der Praxis des prominenten griechischen Geistheilers Christos Drossinakis vom 28.08. bis 26.10.1994 in Frankfurt durchgeführt. Wunderheilung konnte in keinem einzigen Fall bewiesen werden, lediglich geringe Besserungen, die sich als Placebo-Effekt erklären lassen.

Als Betrüger konnte der österreichische Wunderheiler Leonhard Hochenegg entlarvt werden: Um den "Heilstrom", den Betroffene bei Handauflegung von Wunderheilern wie einen elektrischen Stromstoß erleben, zu imitieren, brachte Hochenegg im Absatz seines rechten Schuhs zwei Akkumulatoren an, verbunden mit einem Schalter in der Schuhspitze, den er bei Handauflegung mit der großen Zehe betätigte. Trotz seiner Enttarnung zählt Hochenegg weiter Prominenz zu seiner Kundschaft, so z.B. Boris Becker und Prinz Charles (laut Eigenwerbung).

Rechtskräftig verurteilte Heiler erleiden in der Regel keine Einbuße ihres Ansehens. In den Augen unmündiger Patienten sind sie Märtyrer, die von "neidischen" Schulmedizinern verfolgt würden. 1995 gründete Dr. Harald Wiesendanger den "Dachverband Geistiges Heilen" (DGH), in dem deutsche Geist- und Wunderheiler organisiert sind. Größtes Verbandsmitglied ist der "Bruno-Gröning-Freundeskreis" (Gröning, Bruno). 1996 gab der DGH einen juristischen Ratgeber für Geistheiler heraus mit Empfehlungen, wie sie das Heilpraktikergesetz umgehen können, da auch Geist- und Wunderheiler nur tätig werden dürfen mit amtsärztlicher Erlaubnis.

In Italien ist Geistheilen seit 1996 verboten. In der Begründung betonen die Gerichte, dass es Pflicht der Justiz sei, Menschen vor Scharlatanerie und Okkultismus zu schützen. Die italienische Telekom war in der Folge gezwungen, über 1000 Service-Nummern für "esoterische Beratung" abzutrennen. Heilerfolge von Geistheilern lassen sich als Placebo-Effekt, Betrug, >Autosuggestion oder dämonisch bewirkt erklären. Harald Wiesendanger warnt als Präsident des Dachverbandes Geistiges Heilen vor "Wunderheilern" und rät:

"Gehen Sie zuerst zum Arzt, ehe Sie einen Heiler aufsuchen... Lassen Sie jede ‚übersinnliche‘ Diagnose ärztlich überprüfen... Brechen Sie nie, eines Geistheilers wegen, ärztliche Behandlungen ab ...Glauben Sie keinem, der Ihnen sofortige, vollständige Heilung verspricht... Wehren Sie sich gegen Suggestionen..." (H. Wiesendanger, Das große Buch vom geistigen Heilen, S. 398f).

In einem Gedankenexperiment gibt Wiesendanger Antwort auf die Frage:

"Was ist das für eine geheimnisvolle Energie, die Ihr Heiler auf Sie ‚überträgt‘, in Sie ‚hineinleitet‘, in Ihnen ‚fließen läßt‘? Falls er mit fernöstlicher Philosophie einigermaßen vertraut ist, wird er sie Ihnen vielleicht als ‚Qi‘ vorstellen, jene allgegenwärtige Lebensenergie, die das gesamte Universum erfüllt. Von dem ungehinderten, harmonischen Fluss dieses Qi soll die Gesundheit abhängen... Aber kennt Ihr Heiler auch Qa? Qa ist der kosmische Gegenspieler von Qi. Was Qi aufbaut, vitalisiert, erhält, wachsen und harmonisch ineinander greifen lässt, das trachtet Qa zu zerstören, zu zersetzen, zu destabilisieren, zu vernichten, auszulöschen. Beide durchdringen alles, was ist... Ebenso wie Qi, so durchdringt auch Qa den menschlichen Körper. In ihm fließt Qa durch ein unsichtbares Netzwerk von Bahnen, die im Yoga ‚nadis‘, in der altchinesischen Medizin ‚Meridiane‘ heißen....
Vor allem an Überschüssen und Staus von Qa liegt es übrigens, wenn Geistheilungen misslingen oder sich verzögern; Ungleichgewichte in der Qa-Energiebilanz sind der tiefere Grund dafür, dass Kranke oft selbst dann sterben müssen, wenn ein fähiger Geistheiler den Qi-Strom längst wieder harmonisiert hat. Und wie oft sterben auch hoch entwickelte Qi-Meister qualvoll an Krankheiten, die unmöglich hätten ausbrechen können, wenn das Geheimnis eines gesunden, langen Lebens allein in Qi liegen würde? Hier hat Qa unheilvoll gewirkt. Deshalb sollte jeder geistigen Behandlung eine innere Qa-Reinigung vorausgehen... Wie Laotse sagt: ´Nur wo Qa nicht ist, kann Qi sein. Nur wo Qa gebannt ist, kann Qi heil machen‘. Hätte ich vom Bücherschreiben die Nase voll und beschlösse, fortan als ‚Qa-Reiniger‘ den esoterischen Therapiemarkt zu bereichern - ich könnte zweifellos mit ausgebuchten Seminaren rechnen und ein einträgliches Geschäft daraus machen, geschickte Werbung und Rhetorik vorausgesetzt. Die meisten Teilnehmer würden unter meiner Anleitung mit Sicherheit nicht nur an das Qa-Prinzip glauben, sondern es sinnlich erleben lernen. Den wenigen Skeptikern, die trotz aller Anstrengung nichts empfinden, würde ich mangelnde Sensibilität, Verkrampftheit und Verstandesblockaden unterstellen... Mit Sicherheit hätte ich bald sie ersten ‚Wunderheilungen‘ zu vermelden... Zum Beweis dafür würde ich stapelweise überschwängliche Dankesbriefe geheilter Patienten vorlegen".

Aber:

"Qa ist ein Hirngespinst. Alles, was Sie darüber soeben gelesen haben, ist frei erfunden...Wie alle Formen geistigen Heilens, die mit mysteriösen ‚Energien‘ zu arbeiten behaupten, so hätten auch ‚Qa‘-Behandlungen zweifellos mitunter heilsame Wirkungen: Placebo-Wirkungen, ausgelöst durch einen starken Glauben der Behandelten, den suggerierte ‚Erlebnisse‘ noch verstärken können" (ebd. S.404f).

Andre Kole, weltweit bekannter Trick-Künstler und Illusionist schreibt in seinem Buch "Miracles or Magic?" (Wunder oder Trickkunst):

"Tatsache ist, dass es sich bei einem großen Teil dessen, was heute bei vielen Glaubensheilungs-Veranstaltungen anscheinend passiert, nicht um Heilungen durch Gott, sondern um Trickkunst handelt... Eines der Probleme, denen ich bei Diskussionen um die Echtheit von Heilungen und anderen Phänomenen immer wieder begegne, ist, dass die meisten Menschen unterschätzen, was mittels Trickkunst tatsächlich erreichbar ist... Ich habe zusammen mit dem bekanntesten Illusionisten der Welt, David Copperfield, Trickeffekte entwickelt wie z. B. das freie Schweben über dem Grand Canyon, die sichtbare Dematerialisation durch die Chinesische Mauer, das Verschwindenlassen der Freiheitsstatue, sowie einen 40 Tonnen schweren Personenwaggon des Orientexpresses abheben und in der Luft verschwinden zu lassen... So unglaublich sich diese Illusionen anhören, müssen wir stets bedenken, dass nichts Übernatürliches daran ist. Ich könnte jedem erklären, wie wir diese Illusion erreichen, und innerhalb weniger Minuten wäre er oder sie in der Lage, die Methode nachzuvollziehen... Viele Christen können einfach nicht glauben, dass jemand sich derart tief herablässt, dass er sogar Trickkunst und Täuschung bei etwas verwendet, das als heilige, religiöse Heilungsaktion ausgegeben wird... Uns allen, ob wir Christen sind oder nicht, ist die Neigung der Neugier und des Erlebnistriebs eigen, und deshalb wünschen wir, Übernatürliches zu sehen und zu erleben. Wir möchten glauben, dass das, was wir sehen, echt ist, und so setzen wir unsere Beurteilungsmaßstäbe herab, sobald es um Jenseitiges geht. Wenn irgendetwas auf ernsthafte oder ehrfürchtige Weise und in einer Atmosphäre, in der Ehrlichkeit selbstverständlich ist, dargeboten wird, ganz gleich wie unsinnig oder unglaublich es auch sein mag, ist es eine Tatsache, dass selbst die intelligentesten und geistlich kritischsten Menschen durch eine schlaue und geschickte Vorführung von Trick und Täuschung hinters Licht geführt werden können..." (Richard Mayhue, Dein Glaube hat dich geheilt, S.36 f).

Wunderheiler behaupten, von Gott eingegebenes Wissen über fremde Personen zu haben, z.B. Krankheiten zu kennen bzw. deren wunderbare Heilung während einer Heilungsveranstaltung. Sie nennen das "Worte der Erkenntnis". Der Zauberkünstler James Randi hat in seinem Buch "The Faith Healers" (Die Glaubensheiler) sowohl "plumpe" als auch "geradezu geniale" Methoden von Wunderheilern dokumentiert. Randi beweist, dass in allen (!) von ihm untersuchten Fällen sog. "Deckmänner" bzw. Ehefrauen von "Heilern" vor den Veranstaltungen Informationen in kurzen Gesprächen mit Besuchern gesammelt und diese auf elektronischem Wege oder über Kärtchen an die "Heiler" weitergegeben hatten. Randi beweist weiter, dass z.B. Rollstuhlfahrer, die als "geheilt" durchs Publikum liefen, entweder zwar leidend, aber nicht auf einen Rollstuhl angewiesen waren oder gesunden Personen vor den Großveranstaltungen Rollstühle gegeben worden waren.

George Peters, Prof. em. am Theological Seminary, Dallas, untersuchte Berichte von "Totenerweckungen". Er stellt fest, dass die Vokabel "Tod" entweder für Koma oder Bewusstlosigkeit stand oder von Anhängern einer Irrlehre benutzt wurde, wonach der Tod sich in drei Stufen vollzieht. Auf der 1. Stufe sei die Seele noch im Körper. Bei diesen Berichten von "Totenerweckungen" handelte es sich also nur um Wiederbelebungen. Prof. Peters fasst zusammen, dass die Erweckten "ihrem Gebrauch des Wortes Tod und ihrem Verständnis von Tod zufolge Totenerweckungen erlebt hatten. Nach meinem Verständnis von Tod waren keine solchen Wunder geschehen" (Richard Mayhue, a.a.O. S.64f)..

Im Mai 2004 sollen sich bei der Stuttgarter Biblischen Glaubensgemeinde (BGG) während eines charismatischen Heilungs-Gottesdienstes rund 1 100 Heilungen ereignet haben. Im Juli 2004 befragte die BGG wunderbar Geheilte. Kein einziger konnte ein ärztliches Attest vorlegen.

Zweifelsfrei gibt es von Gott gewirkte Wunderheilungen. Sie sind biblisch bezeugt und es gibt sie auch heute noch. Sie sind aber sehr selten, und bevor einer Wunderheilung Glauben geschenkt wird, sollten alle möglichen natürlichen Erklärungen erwogen werden.

 

Geistheilung im Urteil der Bibel

Die bei Wunderheilungen von Pfingstlern, Charismatikern und "Heilern" auftretenden Phänomene sind der Bibel unbekannt. Kein einziges Heilungswunder Jesu oder der Apostel war mit Rückwärtsfallen, krampfartigen Zuckungen, Zittern, Schreien, "heiligem Lachen", Hüpfen oder Tierlauten verbunden. Von Gott ergriffene Menschen fallen in Ehrfurcht stets nach vorn — auf ihr Angesicht oder auf die Knie. Das belegen zahlreiche Bibelstellen:

"Da erschien die Herrlichkeit des HERRN dem ganzen Volke ...Als das Volk dies sah, jubelte es, und alle fielen auf ihr Angesicht" (3 Mos 9, 24). "Ich fiel auf meine Knie nieder und breitete meine Hände zum HERRN, meinem Gott aus" (Esra, 9,5).

Zu Boden stürzt, wer vom Gericht Gottes getroffen ist, wer versucht Macht über Gott auszuüben oder von Dämonen besessen ist:

"Als der Bote die Bundeslade Gottes erwähnte (dass sie geraubt worden war), fiel Heli rücklings vom Stuhl" (1 Sam 4,18). "Sogleich stürzte Saul seiner ganzen Länge nach zu Boden und geriet in große Angst" (1 Sam 28, 20).  "Jene brechen zusammen und stürzen, doch wir stehen und halten stand" (Pr. 20, 9). "Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen" (Worte Jesu in Luk 10,18). "Als Er nun zu ihnen (bei seiner Gefangennahme) sagte: ‚ICH BIN es!, da wichen sie zurück und fielen zu Boden" (Joh. 18,6). "Bei dem Anblick Jesu schüttelte ihn (den Besessenen) der Geist; er fiel auf die Erde, wälzte sich und schäumte .... Unter lautem Geschrei und heftigen Zuckungen fuhr er (der Dämon) aus" (Mk 9,20).

Die bei Geistheilungen zu beobachtenden körperlichen Reaktionen werden auch von Völkerkundlern in zahlreichen Publikationen über heidnische Völker beschrieben. Auch die im Namen Jesu gewirkten Heilungen sind keine Garantie für ein Wirken Gottes: "Viele werden an jenem Tage zu Mir sagen: ‚HERR, haben wir nicht in Deinem Namen viele Wunder gewirkt?‘ Alsdann werde Ich ihnen offen erklären: ‚Niemals habe Ich euch gekannt! Weichet von Mir, ihr Übeltäter!‘ (Mt. 7,12 f).

Schon der Apostel Paulus mahnte: "Lege keinem voreilig die Hände auf und mache dich nicht fremder Sünden mit schuldig. Halte dich selbst rein" (1. Tim 5,22).

S. auch: Fallen auf den Rücken; Handauflegung; Okkultismus; Spiritismus; Alternativmedizin; Esoterische Medizin; Gröning, Bruno.

Adelgunde Mertensacker


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