Kapitalismus

1. Der Begriff

HANDBUCH ORIENTIERUNG: Religionen, Kirchen, Sekten, Weltanschauungen, Esoterik.Mit dem Wort Kapitalismus bezeichnet man die gegenwärtig weltweit vorherrschende Wirtschaftsordnung. Kapitalismus hat sich als die bisher stärkste Wirtschaftsordnung erwiesen. Durch die im Kapitalismus freiwerdenden ökonomischen Kräfte konnte er der Bevölkerung in den USA und Westeuropa, wo er am längsten wirken konnte, einen vergleichsweise höheren Wohlstand erwirtschaften als unter anderen Wirtschaftssystemen wie Sozialismus, islamische Wirtschaftsmodelle oder Tauschwirtschaft in Teilen der Dritten Welt. Durch seine geistige Verwandtschaft mit politisch liberalen Denkweisen ist der Kapitalismus in den Augen seiner Gegner und seiner Anhänger eine Art wirtschaftsliberale Ideologie. Für viele seiner Anhänger ist eine freiheitlich-demokratische Ordnung ohne kapitalistische Wirtschaftsordnung nicht denkbar.

Das Wort Kapitalismus leitet sich nach Meinung der meisten Sprachforscher vom lat. capitalis (Haupt-) ab, was wiederum von caput (Kopf) kommt. Das ursprüngliche "Kapital" war die Größe einer Viehherde, die Anzahl der Köpfe in einer Rinderherde. Die Begriffe "capitaliste" und "capitalisme" erscheinen erstmalig im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) führten den Begriff Kapitalismus im deutschen Sprachraum ein.

2. Die Erscheinungsformen, Chancen und Probleme des Kapitalismus

Die Grundprinzipien der kapitalistischen Wirtschaftsordnung bestehen im Einsatz von Kapital (Vermögen) zur Erwirtschaftung von Gewinnen. Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsordnungen, bei denen stark steuernd oder bewusst behindernd von dritter Seite (Staat, Fürsten, Religion) eingegriffen wird, überlässt man im Kapitalismus die Wirtschaftsentwicklung weitgehend den Kräften und Gesetzmäßigkeiten, die im Markt selbst vorhanden sind. Dieser Weg ist für den Kapitalisten mit hohen Risiken, aber auch großen Verdienstmöglichkeiten verbunden. Beim Einsatz des Kapitals besteht das Risiko eines Wertverlustes des Kapitals. Deshalb wird der Kapitalbesitzer (Kapitalist) sein Kapital nur einsetzen, wenn die Möglichkeit einer hohen Gewinnerzielung (Profit) zu erwarten ist. Der Profit entsteht in der Werterhöhung des Kapitals. Diese Werterhöhung geschieht durch die Erstellung von Produkten, die Veredlung von Rohstoffen oder eine möglichst günstige Vermarktung von Erzeugnissen. Im Kapitalismus führen die ökonomischen Gesetze und Kräfte des Marktes zu dessen Selbststeuerung. Die maximale Gewinnerzielung und Ermittlung des Preises eines Produktes geschieht über den Markt (Preisermittlung durch Angebot und Nachfrage).

Weil die Prinzipien des K schwere soziale Probleme mit sich bringen können, musste der Kapitalismus in den meisten demokratischen Staaten durch Gesetze reguliert werden. In Deutschland versuchte man, extreme Auswirkungen des Kapitalismus schon in der Kaiserzeit durch Bismarcks Sozialreformen zu mildern. Nach dem 2. Weltkrieg wurden in Deutschland Versuche unternommen, den Kapitalismus zurückzudrängen. Die SPD drängte auf Vergesellschaftung der Industrie. Auch die konservative CDU beschloss im Ahlener Programm vom 3. Februar 1947 die teilweise Vergesellschaftung der Großindustrie und starke Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer. Es setzte sich dann mit Ludwig Erhards (1897-1977) Sozialer Marktwirtschaft eine Form des Kapitalismus durch, bei der die meisten sozialen Härten vom Staat abgefangen wurden. Allerdings wurden diese bewährten sozialen Abfederungen, aufgrund ökono-mischen Druckes der Globalisierung, seit Ende des 20. Jahrhunderts immer mehr eingeschränkt.

Am besten kann sich die kapitalistische Wirtschaftsordnung entwickeln, wenn in einem Staatswesen die volle Handelsfreiheit akzeptiert wird (Wirtschaftsliberalismus) und der Staat das Recht auf Eigentum garantiert und schützt. Eigentum kann im Kapitalismus alles sein: Maschinen zur Produktion von Waren, Rohstoffe, Fähigkeiten und die eigene oder fremde Arbeitskraft. Marx redet sogar davon, dass der Proletarier (Arbeiter) im Kapitalismus seine Arbeitskraft, das einzige was er besitzt, verkauft. Über den Wert des Angebots und den möglichen Profit entscheiden die Kräfte des Marktes (Angebot und Nachfrage). Günstige Rahmenbedingungen für größte Effektivität konnte die kapitalistische Wirtschaftsordnung entwickeln, wenn der Staat politisch liberal ausgerichtet war (England, USA). Oft ist der Kapitalismus selbst ein Element, das zur Herausbildung gesellschaftlicher Freiheiten führt. Politischer und wirtschaftlicher Liberalismus gehören zusammen. Kapitalistische Ansätze in der Wirtschaft führten sehr schnell zur Ausschaltung vormaliger Eliten (z.B. Aristokratie) oder zur Überwindung kommunistischer Staatsmonopole.

Nach der politischen Wende, Mitte bis Ende der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, entwickelte sich ein teilweise ungebändigter Kapitalismus in den Staaten des früheren kommunistischen Machtbereiches. Hier konnte er sich trotz teilweise bis heute eingeschränkter politischer Freiheiten durchsetzen und erzielt teilweise höchste Erfolge (wirtschaftliche Zuwachsraten von über 8 % in Russland (2005) und in einzelnen Segmenten bis zu 30 % in Rot-China). Die hohe Effizienz der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hängt hier auch mit der durch keine Traditionen oder Moral eingeschränkte Skrupellosigkeit der dortigen Eliten zusammen.

3. Ideologische und wissenschaftliche Definitionen

- Die einflussreichste und vorherrschende Definition des Kapitalismus kommt von deren Gegnern, den Marxisten und Neomarxisten. Allerdings gibt es auch Apologeten des Kapitalismus, die interessante Definitionen gegeben haben. Das ursprüngliche Hauptwerk der Marxisten ist "Das Kapital" (1864-1893) von Marx und Engels. Einige marxistische Feststellungen und Erkenntnisse entsprechen den Tatsachen. Da der Marxismus aber einseitig für eine kommunistische Wirtschaftsordnung eintritt, ist seine Wertung subjektiv und dadurch unwissenschaftlich.

Im marxistischen Wirtschaftsmodell wird der Privatbesitz zum negativen Motor der gesellschaftlichen Entwicklung schlechthin erklärt. Marx und Engels erkannten im Kapitalismus die typische Wirtschaftsform der bürgerlichen Gesellschaft. Für sie ist der Kapitalismus die feindliche Kraft gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung (Massen), der Arbeiterklasse. Der Marxismus teilt die Gesellschaft in zwei feindliche Klassen: Arbeiterklasse und Kapitalisten, mit jeweiligen Untergliederungen. In ihrer Geschichtsvision sehen die Marxisten eine zukünftige kommunistische Wirtschafts- und Staatsform, die gewaltsam erkämpft werden muss (Klassenkampf, Weltrevolution). In diesem Kampf ist auch der Einsatz von Terror und Unfreiheit ein legitimes Mittel für die aufstrebende Arbeiterklasse (Diktatur des Proletariats).

In ihrer evolutionistischen Lehre von der Entwicklung der Gesellschaftsordnungen, der sich fast alle linken Ökonomen, Philosophen und Soziologen bis heute anschlossen, vertreten die Marxisten jeglicher Schulen die Meinung, dass sich die Gesellschaftsordnungen aus primitiven Anfängen zu jeweils höheren Formen entwickelten (Urgesellschaft, Sklavenhalterordnung, Feudalismus, Kapitalismus). Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung ist die Herausbildung und die Ansammlung von Privateigentum. Durch den Konkurrenzkampf wird im Kapitalismus (nach Marx) der Markt das Kapital in immer weniger Händen binden. Dies führt zu einer Verelendung der Massen. Da die Massen unter ihrer ökonomischen Situation schrecklich leiden werden und nichts mehr zu verlieren haben, wird es zu einem revolutionären Prozess kommen, der die Sozialisierung des Eigentums (Kapitals im weitesten Sinne) zur Folge hat. Das Ziel dieser Entwicklung ist der Kommunismus, in dem dann aller Besitz Allgemeineigentum wird. Obwohl die Kommunisten ihre Gesellschaftsdeutung als wissenschaftlich definierten, sind alle Versuche der Durchsetzung an den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten gescheitert. Dies kann auf Grund der gefalle-nen Natur des Menschen (biblische Anthropologie) auch nicht anders sein.

-  Trotz kritischer Haltung zum Kapitalismus muss man der ironischen Beschreibung Sir Winston Churchills (1875-1965) zustimmen, der feststellte: "Dem Kapitalismus wohnt ein Laster inne: die ungleiche Verteilung der Güter. Dem Sozialismus hingegen wohnt eine Tugend inne: die gleichmäßige Verteilung des Elends."

-  Nichtmarxistische Definitionen des Kapitalismus sehen diesen zwar oft auch kritisch, betrachten ihn aber als sinnvolles Wirtschaftsmodell. Eine positivere Haltung zum Kapitalismus nahm der schottische Nationalökonom und Moralphilosoph Adam Smith (1723-1790) mit seinem Hauptwerk "Der Wohlstand der Nationen" (1776) ein. In seinem Werk "Theorie der ethischen Gefühle" schreibt er: "Trotz der natürlichen Selbstsucht und Raubgier der Reichen und obwohl sie nur ihre eigene Bequemlichkeit im Auge haben, obwohl der einzige Zweck, welchen sie durch die Arbeit all der Tausende, die sie beschäftigen, erreichen wollen, die Befriedigung ihrer eitlen und unersättlichen Begierden ist, trotzdem teilen sie doch mit den Armen den Ertrag aller Verbesserungen, die sie in der Landwirtschaft einführen. Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustande gekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner verteilt worden wäre, und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft und gewähren die Mittel zur Vermehrung der Gattung. Als die Vorsehung die Erde unter eine geringe Zahl von Herren und Besitzern verteilte, da hat sie diejenigen, die sie scheinbar bei ihrer Teilung übergangen hat, doch nicht vergessen und nicht ganz verlassen."

-  Eine weitere nichtmarxistische Kapitalismustheorie kommt von dem Volkswirt Joseph Schumpeter (1883-1950). Er und seine Schule (Neo-Schumperianer) beeinflussten die moderne westliche Ökonomie stark. Joseph Schumpeter urteilte, die "Maschine Kapitalismus" funktioniere nicht schlecht. Ihr Antrieb sei das freie Unternehmertum; gerade der Erfolg, der sich auch in Monopolen zeige, bringe es jedoch mit sich, dass der Kapitalismus seine eigene soziale Struktur, die ihn schützt und stützt, immer wieder zerstört und neu errichtet. Schumpeter sah im Kapitalismus den Motor der gesellschaftlichen Entwicklung. Eine wichtige These Schumpeters war die Unterscheidung zwischen Kapitalisten und Unternehmern (Entrepreneurs). Unternehmer zeichnen sich seiner Meinung nach dadurch aus, dass sie ihre wirtschaftliche Position ständig durch Innovationen verbessern wollen. Demnach ist es der Unternehmergeist, welcher Innovationen erzeugt und somit Wirtschaftswachstum und sozialen Wandel vorantreibt. Joseph Schumpeter befürchtet aber, dass sich durch eine im Kapitalismus entstehende Bürokratie eine Gefahr für die Demokratie entwickeln könnte.

4. Die Entstehung des Kapitalismus und seine reale Erscheinung als Wirtschaftsordnung

Der heutige Kapitalismus hat sich historisch aus dem bürgerlich-handwerklichen Stadtwesen im 17. Jahrhundert entwickelt. Eine historische Vorbedingung für seine Entstehung war das Aufkommen des Fern- und Freihandels im ausgehenden Mittelalter. Erst diese Handelsmöglichkeiten ließen die Ablösung der patriarchal strukturierten Standesgesellschaft des Feudalismus und der bürgerlich-handwerklichen Stadtwirtschaft zu. Zur zunehmenden Entfaltung kam der Kapitalismus seit der Industrialisierung im 18. Jahrhundert. Die Ausbeutung kolonialer Rohstoffquellen förderte seine Entwicklung. Meist in der christlichen Ethik fußende soziale Hilfen mäßigten die Auswirkungen des Kapitalismus seit Ende des 19. Jahrhunderts. Eine neue Blüte erreichte der skrupellose Kapitalismus auf den Trümmern des untergegangenen sozialistischen Versuchs in den kommunistischen Nachfolgestaaten. Je ungehinderter man die Gesellschaft den Kräften des Marktes aussetzte, desto stärker entwickelte sich der Kapitalismus

Grundprinzip kapitalistischer Wirtschaft war und ist das Erarbeiten von Gewinn. Dieser Gewinn wird möglichst immer wieder eingesetzt, um neuen Gewinn zu erwirtschaften. So kommt es zu einer Anhäufung von Kapital, was zu einer großen Macht in der Gesellschaft wird. Der Eigentümer bzw. die Eigentümergemeinschaft des Kapitals (Kapitalist) setzt das Eigentum (Kapital) im Produktionsprozess und auf dem Markt (Ort des Verkaufes) ein, um damit einen möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften. Da durch andere Kapitalisten Konkurrenz vorhanden ist, ist dieser Einsatz auf dem Markt mit dem Risiko des Verlustes des Kapitals verbunden. Deshalb geht der Kapitalist dieses Risiko nur dann ein, wenn er im positiven Fall einen erheblichen Gewinn erzielen kann. Den größten Erfolg kann der durchsetzungsfähige Kapitalist bei möglichst wenigen Ein-schränkungen seiner Aktivitäten durch Dritte, wie den Staat, guten Ausgangsmöglichkeiten (billige Rohstoffe, gut ausgebildete und gleichzeitig billige Arbeitskräfte und eine gewisse persönliche Skrupellosigkeit) erreichen. Deshalb bot die Entstehung freier Gesellschaften in Westeuropa und den USA des 17.-19. Jahrhunderts die besten Entwicklungsmöglichkeiten für den Kapitalismus Durch private Eigentumsrechte an den Produktionsmitteln (Kapital) werden die Entscheidungsbefugnisse der Politik weitgehend entzogen und in Märkten dezentralisiert, da jeder Eigentümer (Kapitalist) rechtlich (nicht unbedingt tatsächlich) über seine eigene Planung verfügt.

Die privaten Produktionsmittel werden heute nur noch in seltenen Fällen direkt vom Eigentümer, sondern mehrheitlich von einer Personen- oder Kapitalgesellschaft verwaltet. Deren Geschäftsführer (Manager) entscheidet im Auftrag der Eigentümer, was nach der Prinzipal-Agens-Theorie zu Konflikten führen kann. Diese Interessenkonflikte zwischen Eigentümer und Manager sollen durch klare rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen (Corporate Governance) begrenzt werden.

5. Wertung des Kapitalismus und der Profiterzielung als dessen Selbstzweck

Schon sehr früh kamen Beobachter zu dem Eindruck, der Kapitalismus sei die eigentliche Religion der vom Gewinnstreben geprägten Gesellschaft. Hinter diesem Gewinnstreben treten die bisherigen Werte und Religionen zurück.

- Der Aufklärer Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet (1694-1778), machte im Jahr 1734 die Beobachtung an der Londoner Börse, dass darin zwischen den Angehörigen der drei bisherigen Weltreligionen eine praktische Toleranz ausgebrochen war. Der Hintergrund dieser Toleranz sei nach Voltaires Überzeugung, dass diese Toleranz eigentlich nur erklärbar ist, wenn man davon ausgehe, dass die an der Börse handelnden Juden, Muslime und Christen de facto alle der gleichen Religion des Geldes angehören. Ihr Gott wird das Geld, ihr Tempel die Börse und ihr Ziel immer mehr Reichtum. Um einen starken Markt zu schaffen, setzt der Kapitalismus die Toleranz in jeder Frage voraus (Religion, Moral, Nation usw.). Somit ist der Kapitalismus in voller Kraft ohne die geistesgeschichtliche Tatsache der "Aufklärung" mit ihrem Gedanken der Toleranz (Lessing u.a.) nicht denkbar. Der Kapitalismus wächst wie ein Parasit am dem Baum der Aufklärung.  

- Der Soziologe Max Weber (1864-1920) sieht in der Theologie der calvinistischen Reformation die geistesgeschichtliche Wurzel des Kapitalismus in Europa. Folgt man Webers Argumentation, so ist hier natürlich nur ein von den Gedanken der Toleranz und späteren Aufklärung beeinflusster Calvinismus ohne biblisch bedingte Skrupel möglich. Der Kapitalismus sei, nach Weber, eine aus religiösen Gründen entstandene Weiterentwicklung der Reformationsbewegung Der Calvinismus habe, nach Weber, im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Arbeitsmoral und -ethik in England maßgeblich beeinflusst und legitimiert. Er setzt einen Maßstab bei der Nützlichkeit menschli-chen Handelns an, wobei der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht: Zeitvergeudung sei die schlimmste Sünde, wozu auch über-mäßig langer Schlaf oder Luxus zähle. Arbeit sei der von Gott vorgeschriebene Selbstzweck des Lebens. Da die Absichten Got-tes den Menschen verborgen bleiben, müsse jeder im Sinne einer tugendhaften Lebensführung handeln, also als ob er von Gott aus-erwählt sei. Der Erfolg dabei zeigt, ob der Fleiß und das sparsame Leben von Gott belohnt worden sei. Wer keinen wirtschaftlichen Erfolg erzielt habe, sei in Ungnade Gottes gefallen und dafür selbst verantwortlich. Da dieser Hintergrund für Japan nicht haltbar war, führte er hier die Rolle der Samurai als Hintergrund an. Aus christli-cher Sicht muss man in Webers Deutung eine Überspitzung theologischer Gedanken sehen.

- Der Neomarxist Theodor W. Adorno (1903-1969) hat 1951, in den "Minima Moralia", auf den engen Zusammenhang von Okkultismus und Spätkapitalismus hingewiesen.

6. Beurteilung des Kapitalismus aus christlicher Sicht

- Zwar sollten Christen die Erwirtschaftung von Profit nicht grundsätzlich ablehnen. Sie gehört zum Schöpfungsauftrag, die Erde untertan zu machen, dazu. Sie kann sogar ein Werk der Nächstenliebe sein. Durch gutes Wirtschaften werden Arbeitsplätze und somit Lebensmöglichkeiten für die Menschen geschaffen (Adam Smith). Jesus sagte: "So ihr nun in dem ungerechten Mammon nicht treu seid, wer will euch das Wahrhaftige vertrauen?" (Lk 16,11). Da aber nicht das Wohl der Menschen, sondern die Gewinnmaximierung Ziel der kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist, entwickelt sich der Kapitalismus zu einer Art innerweltlicher Religion, wie schon Voltaire feststellte. Solche Religion können wir nur "Götzendienst" nennen. Der im Kapitalismus verehrte Götze wurde von Jesus mit dem Namen "Mammon" bezeichnet. Wer den Kapitalismus zur Grundhaltung seines Handelns macht, dem sagt Jesus: "Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon" (Mt 6,24).

Die Bibel zeigt, dass die endzeitliche Welt von solchem Götzendienst geprägt sein wird: "Und die Kaufleute auf Erden werden weinen und Leid tragen über sie, weil ihre Ware niemand mehr kaufen wird, die Ware des Goldes und Silbers und Edelgesteins und die Perlen und köstliche Leinwand und Purpur und Seide und Scharlach und allerlei wohlriechendes Holz und allerlei Gefäß von Elfenbein und allerlei Gefäß von köstlichem Holz und von Erz und von Eisen und von Marmor und Zimt und Räuchwerk und Salbe und Weihrauch und Wein und Öl und Semmelmehl und Weizen und Vieh und Schafe und Pferde und Wagen und Leiber und Seelen der Menschen" (Offb 18,11-13).

Wer sein Vertrauen auf das Geld setzt, ist einem moralischen Laster verfallen, das in der Endzeit zu großer Bedeutung kommt: "Denn es werden Menschen sein, die viel von sich halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, ungeistlich …" (2Tim 3,2). Gottes Wort mahnt, Menschen solcher Gesinnung zu meiden (2Tim 3,3b).

Rainer Wagner


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