Mit Synergismus (S.) (von griech. synergein, zusammenwirken) werden in der Theologie Anschauungen bezeichnet, die eine Mitwirkung oder ein Zusammenwirken (co-operatio) des Menschen mit der Gnade Gottes bei der Rechtfertigung lehren. Das bedeutet ein Zusammenwirken der Gnade Gottes und des menschlichen Willens zum ewigen Heil. Der menschliche Wille tritt damit als ursächlicher Faktor neben Gottes Gnade bei der Erlangung des Heils. Dem steht die Sicht entgegen, derzufolge der Mensch wegen seiner Verderbtheit durch die Erbsünde und seines bereits schöpfungsmäßig angelegten unfreien Willens Gott gegenüber (der ihm als sein Schöpfer - auch vor dem Sündenfall - immer übergeordnet bleibt) seine Rechtfertigung und damit sein Heil nur aufgrund der Gnade Gottes und dessen Prädestination (Gnadenwahl Gottes) zugesprochen bekommt (Erwählung).
Eine bekannte Form des Synergismus ist der >Pelagianismus. Pelagius (iro-schottischer Mönch, 370 - nach 418) und seine Anhänger lehrten, das Gesetz Gottes und die Gebote Christi könne der Mensch auch ohne die Gnade erfüllen, was eine Negierung der völligen Verderbtheit des Menschen durch die Erbsünde bedeute. Der Pelagianismus vertrat die Meinung, die Erfüllung des Gesetzes, welche für möglich gehalten wurde, bringe die Menschen ebenso in das Reich Gottes wie das Evangelium; der Mensch könne den Anfang des Glaubens und die Beharrlichkeit bis zum Ende aus eigener Willenskraft leisten. Die pelagianische Position wurde viel später mit dem bekannten Vergleich von Molina (Jesuit, 1535 - 1600) durch die zwei Pferde, die zusammen ein Schiff ziehen, erklärt. Augustinus (354 - 430) setzte dem entgegen, die Gnade Gottes gehe dem Wollen und Vollbringen des Menschen immer voraus. Wurde auch die Lehre des Pelagius durch Augustinus umfassend widerlegt und hat auch das dritte ökumenische Konzil von Ephesus 431 den Pelagianismus verworfen, so konnte doch durch den Semipelagianismus der Gedanke, der Mensch wirke zu seinem Heil mit, weiten Einfluss in der Kirche erlangen und lehrte die mittelalterliche Kirche semipelagianisch. Martin Luther bezeichnete denn auch Pelagius als den
"Eckstein aller Häretiker; denn die Natur schielt bald nach dem Werk" (WA 20, 670, 7).
Für die Theologie der Ostkirche blieb das Zusammenwirken der Gnade Gottes mit dem Willen des Menschen selbstverständlich.
Wie mehr als 1000 Jahre zuvor Augustinus, so haben auch die Reformatoren den S. bekämpft und diesem das sola gratia und die Begründung des Heils in Gottes Prädestination entgegengestellt, da ansonsten der Gläubige nicht Heilsgewissheit haben könnte. Die Heilsgewissheit wurde von der römisch-katholischen Kirche verworfen. Sie schrieb ihre semipelagianische Position durch das Tridentinum (1545 - 1563) fest. Im Gegensatz zur totalen Verderbtheit durch die Erbsünde, womit der Mensch tot in Sünde ist, dem geknechteten Willen und der Prädestination, wie dies Luther und Calvin lehrten, sprach das Tridentinum sich für Willensfreiheit, für freie Zustimmung und Mitwirkung mit der Gnade aus und wurde deshalb von der reformatorischen Seite des S. bezichtigt. Aber auch in vielen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen oder Konfessionen wurde die ursprünglich prädestinatianische Position nicht durchgehalten. Zwei Auseinandersetzungen um den S. haben Beachtung erlangt, zum einen die zwischen Luther und Erasmus und zum anderen die zwischen den Philippisten und den Gnesiolutheranern.
Erasmus von Rotterdam (1469 - 1536) hatte in seiner Schrift "De libero arbitrio" (Vom freien Willen, 1524) ein Zusammenwirken der Gnade Gottes mit dem freien Willen des Menschen zur Erlangung des Heils vertreten. Zwar rechnet er dabei der Gnade das meiste, dem freien Willen aber auch einen Teil zu (noli non nisi = nicht nichts). Luther hat darauf mit seiner Schrift "De servo arbitrio" (Vom unfreien Willen, 1525) geantwortet und darin die Position des Erasmus in aller Schärfe zurückgewiesen und ihr die Unmöglichkeit eines freien Willens entgegengesetzt; die Rede von einem freien Willen des Menschen, was dessen Heil anlangt, sei "ein leeres Wörtlein" (WA 18, 670). Der Mensch gleiche vielmehr einem Reittier, das von Gott oder Satan geritten werde, und er habe nicht die Freiheit, darüber zu entscheiden, von wem er geritten werde, denn Gott und Satan stritten um diesen Anspruch, der Mensch aber folge willig dem, der ihn beherrsche. Luther betonte, bei Gott fielen Voraussehen, Vornehmen und Tun zusammen (WA 18, 615).
Bei dieser Kontroverse ging es um S. im besonderen oder engeren Sinne. Diese Form des S. ging von einer bestimmten, von Philipp Melanchthon (1497 - 1560) herkommenden Theologengruppe aus. Der "Synergistische Streit" entstand aus der Behandlung des Verhältnisses von göttlicher Gnade und menschlichem Willen durch Melanchthon. Ursprünglich hatte Melanchthon Luthers Position geteilt (Loci 1521) und stand deshalb auf Luthers Seite während dessen Auseinandersetzungen mit Erasmus (1525). Im Laufe der Zeit schrieb Melanchthon aufgrund psychologischer und pädagogischer Erwägungen dem menschlichen Willen immer mehr Eigenständigkeit zur Erlangung des Heils zu, um dadurch Sittenlosigkeit entgegenzutreten. Melanchthon ging es darum, den seiner Meinung nach der Prädestination inhärenten Determinismus zu meiden und den Menschen für Annahme oder Ablehnung der im Wort Gottes angebotenen Erlösung mit verantwortlich zu machen. Melanchthon wollte einem magischen Verständnis des Wortes Gottes entgegentreten. Dazu berief er sich auf Chrysostomus (griech. Kirchenvater, ca. 350 - 407): "Gott zieht, aber er zieht den Wollenden." Nach Melanchthon wird das Heil so zugeeignet, dass Gott in seinem Wort durch den >Heiligen Geist wirkt, der Wille des Menschen dem Wort Gottes zustimmt und diesem nicht widerstreitet (Loci 1559). Damit hatte sich Melanchthon der Position des Erasmus (fast) unterschiedslos angenähert, denn wie dieser verstand er den freien Willen als "Fähigkeit, sich der Gnade zuzuwenden". Drei Ursachen wirken nach Melanchthon bei der Bekehrung zusammen: das Wort Gottes, das zum Heil beruft, der Heilige Geist, der zum Glauben bewegt und der menschliche Wille, der einwilligt und nicht widerstreitet. Bei Melanchthon blieb in der Schwebe, ob er so zu verstehen ist, dass die Gnade den Menschen so zum Heil bewegt, indem sie seine eigene Zustimmung erweckt, oder ob der Wille zur Zustimmung zur Gnade hinzu- und dieser entgegenkommt. Die von Melanchthon genannten drei Ursachen legen das letztere Verständnis nahe, und diese Position wurde auch von Melanchthons Schülern Johann Pfeffinger (1493 - 1573) und Victorinus Strigel (1524 - 1569) vertreten. Gegen diese philippistische Sicht wandten sich die Gnesiolutheraner unter Matthias Flacius Illyricus (1525 - 1575). Höhepunkt dieses synergistischen Streites bildete die Disputation zwischen M. Flacius und V. Strigel 1560 in Weimar. Strigel verglich das Zusammenwirken zwischen Gott und Mensch damit,
"als wenn ich in einer Zeche säße bei einem reichen Mann, und er gäbe einen Thaler, ich einen Heller".
Dies bedeutet im Grunde die Position des Erasmus, der der Gnade das meiste, dem freien Willen aber "nicht nichts" zuschrieb. Gegen Strigel vertrat Flacius bei dieser Disputation die These, bei seiner Bekehrung verhalte sich der Mensch schlimmer als "Klotz und Stein" (truncus et lapis), denn der in der Sünde gefangene Mensch sei nicht passiv, sondern betont feindselig: Gottes Gnade bekehre keinen Wollenden, sondern einen Widerstrebenden. Die Konkordienformel (1577) entschied letztlich diesen Streit nicht und ließ damit das Problem des S. offen. Sie verwarf zwar im Artikel II den S. der Philippisten, indem sie feststellt, der Mensch von sich aus habe nicht die Fähigkeit, sich der Gnade zuzuwenden. Aber sie lehnte auch die Begriffe des Flacius, der Mensch verhalte sich wie "Klotz und Stein" (truncus et lapis) als inadäquat ab und widersprach auch seiner Aussage, die Erbsünde sei die Natur oder das Wesen des Menschen. Durch die Gnade werde der Mensch zu einer eigenen Willensentscheidung fähig. Zur Prädestination hat die Konkordienformel im großen und ganzen die Position Melanchthons übernommen.
Der oft breit angelegte ordo salutis (Heilsweg) der altprotestantischen Orthodoxie neigte aufgrund der ihm innewohnenden Rationalität unbeabsichtigt zum S. Die in Teilen von Pietismus und Erweckungsbewegung vertretene Bekehrungstheologie kann sich gegenüber dem S. nur unzureichend abgrenzen; der Ruf zur Entscheidung mit Appell an den freien Willen des Menschen übersieht, dass dieser nach biblisch-reformatorischer Position nicht gegeben ist und bedeutet S. Vom S. gekennzeichnet erscheint das methodistische Bekehrungs-/Rechtfertigungsverständnis (>Methodismus). Für John Wesley (1703 - 1791) gehören Gnade bzw. Glaube und Werke, Gottes Herrschaft und die Freiheit des Menschen zusammen. Nach Wesley partizipiert der Mensch am Werk der Versöhnung Gottes mit den Menschen durch sein eigenes Bemühen (>Buße, >Bekehrung, Glaube n) und bleibt auch weiterhin an seiner Erlösung beteiligt durch fortschreitende Erkenntnis (heiliges Leben, Wachstum und Früchte des Glaubens; >Heiligung).
Die Diskussion um Themen wie Glaube, Gnade, Rechtfertigung in Gesprächen und Verhandlungen zwischen den Kirchen der Reformation und der römisch-katholischen Kirche zeichnet sich durch Kirchendiplomatie und die damit einhergehende Verwischung der Begriffe und Verschleifung der Positionen und Gegensätze aus. Damit hängt zusammen, dass das Phänomen S. zwar ständig präsent ist, aber nicht benannt wird.
Kirchendiplomatisch heißt es,
"Mitwirkung kann es nur in dem Sinne geben, dass das Herz beim Glauben dabei ist, wenn das Wort es trifft und den Glauben schafft".
Bei einem solchen Verständnis treffen die "Verwerfungen des 16. Jahrhunderts nicht mehr mit kirchentrennender Wirkung von heute" (Karl Lehmann / Wolfhart Pannenberg, Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 1986). Die Unterzeichnung der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung (GOF) zur Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung (GER) am 31. Oktober 1999 in Augsburg zwischen dem Vatikan und dem Lutherischen Weltbund bedeutet, dass der Lutherische Weltbund und die Kirchen, die er repräsentiert, die Rechtfertigungslehre des Tridentinums anerkennen und auf diese Sicht eingeschwenkt sind, wobei sie die reformatorische Rechtfertigung, die die biblische ist, zugunsten der synergistischen römisch-katholischen aufgegeben haben, welche das Tridentinum durch Konzilsbeschluß festlegte und dessen Beschlüsse die römisch-katholische Kirche nicht umstoßen kann und auch nicht will. Ebenfalls zur neueren Ökumene, nämlich vor allem zu der vom Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf (ÖRK) vertretenen, gehören theologische Konzepte wie etwa die Befreiungstheologie, die >Politische Theologie, die >Feministische Theologie. Sie sind stark ethisch orientiert, auch wenn sie wenigstens teilweise unmoralisch anmuten können, und sind aufgrund ihres Ethizismus synergistisch. Sie sind dogmatische und ethische Häresie.
Hintergrund der Auseinandersetzung um den S. bildet die Frage, wie beim Heilsgeschehen die Alleinwirksamkeit der Gnade Gottes und dessen Erwählung (Prädestination) mit der Personalität des Menschen bestimmt werden muss. Dabei dürfte die Lösung weder in der Richtung zu suchen sein, dass die Personalität durch den Determinismus aufgehoben wird. Die Konkordienformel verwarf M. Flacius` Begriffe "Klotz und Stein" (truncus et lapis), da diese die Aufhebung der Personalität des Menschen nahelegen. Aber die Gefahr, dass der S. neben die Gnade als das Heil bewirkender Faktor tritt, dürfte die größere sein. Der S. hat in Theologie und Kirche nachhaltiger negativ gewirkt als ein die Personalität aufhebender Determinismus.
Wenn der Mensch zum Glauben und zum Heil gelangt, ist dies allein in Gottes Gnadenwirken begründet. Gott hat das Heil in Christus bewirkt, was keine menschliche Mitwirkung zum Heil möglich macht. Könnte der Mensch auch nur etwas zu seinem Heil aufgrund seines freien Willensentschlusses beitragen, so könnte er nie Heilsgewissheit erlangen (vgl. Luthers Klosterkämpfe), was nach biblisch-reformatorischer Überzeugung aber nötig ist. Der Mensch kann auch deshalb nicht, weil er an seine >Sünde versklavt ist, zu seinem Heil etwas beitragen. S. verharmlost die Sünde und schmälert die Gnade Gottes. Die Gnesiolutheraner haben darin recht, dass der Mensch sich gegenüber Gottes Wirken nicht passiv, sondern feindselig verhalte, da er Sünder ist. Die Konkordienformel hat in ihrem Artikel II gegen den Synergismus entschieden, aber nicht in rationaler Weise das Verhältnis zwischen sola gratia und menschlicher Personalität aufgelöst. Durch die Rechtfertigung empfängt der Sünder Christi Gerechtigkeit und Christus nimmt die Sünde auf sich (Luther: fröhlicher Wechsel). Der Glaube ist nicht müßig, sondern bringt Früchte hervor
"der gute Baum bringt gute Früchte", Mt. 7,17f.
und
"ist in der Liebe tätig" (Gal. 5,6).
Aber diese rechtfertigen den Menschen nicht, sondern geschehen aus Dankbarkeit für die empfangene Erlösung. Der biblische Befund gibt für Synergismus keinen Raum. Dennoch dürfen die Augen nicht davor verschlossen werden, dass synergistische Positionen auch in der Kirche, die sich auf Luther beruft, mehr Raum einnehmen als die biblisch-reformatorische, so dass - kirchengeschichtlich gesehen - letztlich Erasmus, der zwar Kritik an der römisch-katholischen Kirche geübt hat, ihr aber treu blieb und dort hoch angesehen ist, gesiegt hat (so Wilhelm Maurer).
S. auch: Soteriologie; Erlösung; >Katholisches Kirchenverständnis; Reformatorisches Kirchenverständnis; >Calvinismus; Pietismus; >Methodismus; >Heiligungsbewegung; Perfektionismus; Humanismus.
Lit.: Lexikaartikel "Synergismus" in: EKL, Bd. 4, 3. Aufl. 1996, Sp. 599-602, v. P. Neuner; ELThG, Bd 3, 1994, S. 1949-1950, v. E. Hahn; RGG, Bd. 6, 3. Aufl. 1962, Sp. 651f., v. W. Joest; M. Luther, De servo arbitrio (1525), WA 18; ders., Vorlesung über den 1. Brief des Johannes, WA 20; P. Melanchthon, Loci, Ausgabe von 1521 und von 1559; Konkordienformel, Epitome Art. II, Vom freien Willen, BSLK, S. 776-781, Solida Declaratio Art. II, Vom freien Willen, BSLK, S. 866-912, 8. Aufl. 1979; E. W. Kohls, Die Theologie des Erasmus, 1966; ders., Luther oder Erasmus, 1978; K. Lehmann/ W. Pannenberg (Hgg.), Lehrverurteilungen - kirchentrennend?, 1986; A. Peters, Glaube und Werke. Luthers Rechtfertigungslehre im Lichte der heiligen Schrift, 1962.
Walter Rominger
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