Umweltschutz bezeichnet den Schutz der "Umwelt" (die den Menschen umgebende Welt) vor ihrer Schädigung und Zerstörung. Besser als diese anthropozentrische Bezeichnung wäre der Begriff "Schöpfungsverantwortung" (Verantwortung für die von Gott geschaffene Welt). Der Gebräuchlichkeit wegen behalten wir aber hier den Begriff Umweltschutz bei. Dass Umweltschutz notwendig ist, wird heute niemand mehr ernsthaft bestreiten. In welche Richtung soll aber der Umweltschutz gehen? In welchem Ausmaß kann und soll Umweltschutz praktiziert wer den? Noch deutlicher: Wie radikal können und sollen Maßnahmen zur Behebung der Umweltkrise sein? Vor allem darüber wird heute diskutiert.
In dieser Diskussion kann man vier Hauptpositionen, vier "Antworten" aus weltlicher Sicht unterscheiden:
Die Umweltverschmutzung ist der Preis für den Fortschritt. Sie ist unvermeidbar, weil der Fortschritt unvermeidbar und notwendig ist. Der Fortschritt fordert Opfer. Solange aber der Nutzen durch den Fortschritt größer ist als der Schaden, können und wollen wir auf den Fortschritt nicht verzichten und nehmen die Umweltverschmutzung in Kauf.
Die kaputte Umwelt kann repariert werden. Umweltverschmutzung ist durch Umwelttechnologie zu bekämpfen. Mit anderen Worten: Die Industrie, die uns die Suppe der Umweltverschmutzung eingebrockt hat, löffelt sie auch wieder aus, indem sie Kläranlagen, Filteranlagen usw. baut und sich dadurch sogar neue, gewinnbringende Wirtschaftsbereiche erschließt. Im wesentlichen aber kann die Industrie und kann der einzelne weitermachen wie bisher.
Alles muss anders werden. Wir müssen neue, nicht verschmutzende Techniken erfinden und überhaupt weniger Technik gebrauchen. Wir müssen den Rohstoffverbrauch eindämmen und umsteigen auf unerschöpfliche, erneuerbare Energiequellen wie Sonne, Wasser und Wind. Wir müssen ein neues, positives Verhältnis zur Natur gewinnen und ihre ökologischen Kreisläufe beachten. Im Konfliktfall kommt Ökologie vor Ökonomie.
Umweltverschmutzung ist eine Krankheitserscheinung des Kapitalismus und nicht der Technik. Dass Menschen Menschen ausbeuten, ist das wahre Problem. Wird der Kapitalismus abgeschafft, dann wird die Ausbeutung - auch die Ausbeutung der Umwelt - aufgehoben. (Die Realität in sozialistischen Staaten sah und sieht jedoch ganz anders aus; Kommunismus).
Beurteilung: Was sagt die Bibel über den Umweltschutz? Sehr wenig und sehr viel. Sehr wenig, insofern sie keine konkreten Aussagen zu etlichen Problemen macht, die uns heute auf den Nägeln brennen, z. B. zu den Fragen "Atomkraftwerke - ja oder nein?", "Chemische Schädlingsbekämpfung - ja oder nein?" usw. Sehr viel, indem sie in grundsätzlicher Weise Aussagen nicht nur über das Verhältnis zwischen Gott und Mensch, sondern z. B. auch über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur (biblisch: Schöpfung) macht. Und von diesen grundsätzlichen Aussagen her sind dann auch Rückschlüsse zur Lösung konkreter Probleme möglich und notwendig. Vier dieser grundsätzlichen Aussagen (sie entsprechen Abschnitten in der biblischen Heilsgeschichte) sollen uns im folgenden beschäftigen:
a) Gott erschafft die Welt:
Gott allein - der lebendige, persönliche, eine und unendliche Gott der Bibel - ist der Schöpfer der Welt Schon diese Aussage ist ungeheuer wichtig. Denn damit sind alle anderen Vorstellungen über die Entstehung der Welt abgelehnt - Vorstellungen, die den Wert der Welt oder die Bedeutung ihres Schöpfers herabsetzen und einen verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung unmöglich machen würden. Es sind dies insbesondere: der Materialismus, der nur die sichtbare, diesseitige, raumzeitliche Wirklichkeit einer Materie kennt, die sich in einem letztlich unerklärlichen Prozess fortlaufend selbst hervorbringt; und auch der damit verwandte Evolutionismus, der die Entstehung der Lebewesen auf die Prinzipien Mutation und Selektion und damit auf eine Kette von Zufällen zurückführt. Wer diese Weltanschauungen vertritt, wird der Welt höchstens einen Selbstzweck, aber keinen weitergehenden Sinn zuerkennen. Er wird sich mit der notwendigen Rücksichtnahme schwer tun, da er sich ja nicht vor Gott verantworten zu müssen meint.
Abgelehnt ist auch das andere, genauso unbiblische Extrem: der Pantheismus, der die ganze Welt als Ausfluss der Gottheit ansieht und danach strebt, Gott im Geschöpflichen zu finden und zu verehren. Gewiss besitzt der Pantheist eine sehr innige Beziehung zu allen Geschöpfen. Er behandelt sie mit Hochachtung und Ehrfurcht (vgl. das ethische Prinzip "Ehrfurcht vor dem Leben" von Albert Schweitzer; Konsequente Eschatologie). Sein Irrtum liegt aber darin, dass er in den Geschöpfen Gott zu sehen meint, dass er den Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf aufhebt oder relativiert. So erkennt er weder Schöpfer noch Geschöpf, wie sie wirklich sind, sondern verwechselt beide in unzulässiger Weise. So verfallt er der Illusion, Heil aus der Natur erringen zu können, statt im alleinigen Vertrauen auf Gott und seinen Sohn Jesus Christus. Die Bibel betont durchgehend den Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf, etwa in der Erschaffung des Menschen als Gottes Abbild und Gegenüber (1. Mose 1, 27; 2, 18), in der Kontrastierung der Souveränität Gottes und der Gefallenheit der Schöpfung (Römer 8 u. ö.), im Verbot der pantheistisch-heidnischen Götzen- und Bilderverehrung (2. Mose 20, 4 f. u. ö.), an allen Stellen, die von der Sünde und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und der ganzen Schöpfung handeln. Gott ist zwar der unendliche, aber zugleich der eine, lebendige und persönliche Gott (5. Mose 6, 4; Jes 57, 15; Mt 6,9 ff.; Joh 14; 1.Tim 6,16 u.ö.).
b) Der Mensch verwaltet die Welt:
Schon in 1. Mose 2, 15 heißt es:
"Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte."
"Bebauen und bewahren" heißt nicht "zerstören", sondern "schonend als Lebensraum erschließen" - und dieser Auftrag bezieht sich auf die ganze Erde. Diese Erschließung muss immer in der Verantwortung vor Gott geschehen, nicht in der selbstherrlichen Tyrannei des Menschen über die übrige Schöpfung. Denn die Erde gehört Gott (3. Mose 25, 23); der Mensch ist lediglich Verwalter (vgl. Ps. 8, 5 ff.). In diesem Sinn ist auch das "Untertanmachen" der Erde und das "Herrschen" über die Mitgeschöpfe des Menschen zu verstehen (1. Mose 1, 26.28). Der Mensch ist zum gerechten und liebenden Herrscher über die Erde bestimmt und soll damit Abbild der Gerechtigkeit und Liebe Gottes sein. Er hat keinen Zerstörungs-, sondern einen Verwaltungs- und Erhaltungsauftrag. Auch wurde in der Bibel der Tierschutz nicht vergessen, wie manchmal behauptet wird. Man lese nur einmal 5. Mose 22, 1-10; 25, 4; Jes 11,6ff.; Röm 8,16ff. u. a. Allerdings ist in der Bibel nirgends die Rede von einem "mystischen Einheitsgefühl" zwischen Menschen und Tieren oder gar zwischen allem Lebendigen, wie dies in esoterischen und alternativen Kreisen leider häufig geschieht.
c) Die Sünde verunstaltet die Welt:
Die von Gott gut geschaffene und dem Menschen zur Verwaltung überantwortete Schöpfung ist in den Sündenfall des Menschen mit hineingerissen worden (1. Mose 3 u. ö.). Der Mensch hat sich von Gott, seinem Schöpfer, losgesagt und sein Verwaltungsrecht über die Schöpfung missbraucht. Ausbeutung, Leid und Tod sind an die Stelle von Pflege und Bewahrung getreten. Die ganze Welt wurde Machtbereich des Bösen, Machtbereich Satans, des "Fürsten dieser Welt" (Mt 4,8f.; Joh 12,31; 2. Kor 4,4; Eph 2,2; 6,11f. u. ö.). Wer Umweltkrise, Kriegsgefahr, Hungersnöte, Katastrophen usw. einmal unter diesem Blickwinkel betrachtet, erschrickt. Er erkennt plötzlich hinter all diesen Bedrohungen eine viel schlimmere, viel furchteinflößendere Bedrohung: das Wirken Satans und das Verstricktsein des Menschen in die >Sünde.
"Aus dem Herzen kommen die bösen Gedanken" (Mt 15, 19).
"Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe" (1. Petr 5,8).
Unfähig zum wirklich Guten (Mt 19,17) und bedroht ist der Mensch. Wie soll dann aber noch Rettung möglich sein?
d) Christus verwandelt die Welt:
Die Macht Satans und der menschlichen Sünde ist so groß, dass sie kein Mensch aus eigener Kraft überwinden kann. Deshalb hat Gott in seiner unbegreiflichen Weisheit und Güte einen anderen Weg gewählt:
"So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben" (Joh 3,16).
Jesus Christus, Gottes Sohn, ist stellvertretend für uns am Kreuz gestorben. Er hat als Unschuldiger für unsere Schuld gebüßt (2. Kor 5,21). Dadurch hat er uns - aus Gnade - von der Macht der Sünde, des Todes und des Teufels befreit und die zerrissene Gemeinschaft mit Gott wiederhergestellt. Er hat uns mit Gott versöhnt. Durch seine Auferweckung von den Toten hat ihn Gott als seinen Sohn und als "Lebensfürst" bestätigt. Jetzt gilt:
"Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, ein Neues ist geworden. [...] Gott versöhnte in Christus die Welt mit sich selbst" (2. Kor. 5, 17.19).
Das heißt aber: Christus verwandelt die Welt durch die Christen. Somit gilt: Allein der glaubende Christ ist wirklich mit Gott versöhnt. Diese erfahrene Versöhnung wirkt sich auf vielfältige Weise verwandelnd und heilend auf ihn und auf seine Umgebung aus. Aus der Versöhnung mit Gott folgt: die Versöhnung des Menschen mit sich selbst (in Form der Überwindung seiner inneren Zerrissenheit, seines Hin- und Hergerissenseins zwischen Gott und Satan); die Versöhnung mit den Mitmenschen; die Versöhnung mit der übrigen Schöpfung.
1. Weil er Gott liebt, wird er auch die Schöpfung lieben:
die Tiere, die Pflanzen, die Flüsse, die Seen - alles, was Gott geschaffen hat. Er wird die Schöpfung lieben um Gottes willen und um ihrer selbst willen, nicht um seines eigenen Vorteils oder seiner eigenen Gesundheit willen. Er wird freilich auch erkennen, dass er auf die Erhaltung der Schöpfung angewiesen ist, wenn er selbst überleben will.
2. Er wird die Schöpfung verwalten und nicht zerstören, so wie es der Menschheit ursprünglich von Gott aufgetragen war. Weil er sie nicht zerstören will, wird er so schonend wie möglich mit ihr umgehen.
3. Er wird Stimme für die "seufzende Kreatur" sein,
die selbst nicht reden kann und die ...
"wartet, dass Gottes Kinder offenbar werden" (Röm 8, 19).
4. Er wird einen einfachen Lebensstil praktizieren aus Rücksicht auf die knapp werdenden Schöpfungsgüter und die Not der Hungernden. Er wird so planen, dass er das hat, was er wirklich zum Leben braucht, aber seinen Überfluss an Notleidende abgibt. Ein Unternehmer wird so wirtschaften, dass er durch sinnvolle Investitionen Betrieb und Arbeitsplätze erhält, aber nicht durch maßloses Jagen nach Profit zum Diener des Mammons wird (Mt 6,19ff. u. ö.).
5. Er wird kein Anhänger eines ungezügelten wirtschaftlichen Wachstums sein, das die Schöpfung zerstört, die Vorräte aufzehrt und unseren Kindern einen geplünderten Planeten hinterlässt.
6. Er wird beispielhaft zu leben versuchen, in seinem eigenen Bereich mit einem verantwortlichen Leben beginnen und andere - auch Politiker - auf ihren Erhaltungs- und Verwaltungsauftrag gegenüber der Schöpfung hinweisen.
7. Bei alledem wird er wissen, dass er sich durch gute Werke (auch durch das gute Werk eines "einfachen Lebensstils") nicht den Himmel verdienen kann, sondern dass die guten Werke Früchte seines Glaubens sind.
"Denn es gibt hier keinen Unterschied: Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit verloren, die Gott ihnen zugedacht hatte, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist" (Römer 3, 23 f.).
Lit.: L. Gassmann, Grün war die Hoffnung. Geschichte und Kritik der grünen Bewegung, 1994.
Lothar Gassmann
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